Wie mit Begriffsbetrug und Sprachmanipulation der Rechtsstaat überlistet wird: Einführung, Begriffsfeld Geschlechterpolitik und GENDERSPRACHE

PDF-Text: Wie mit Begriffsbetrug und Sprachmanipulation der Rechtsstaat überlistet wird – und warum Sprache sich nicht ʻnun mal ändertʼ: Einführung, Begriffsfeld Geschlechterpolitik und Gendersprache

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3 Antworten zu Wie mit Begriffsbetrug und Sprachmanipulation der Rechtsstaat überlistet wird: Einführung, Begriffsfeld Geschlechterpolitik und GENDERSPRACHE

  1. Ivan Panchenko schreibt:

    (Vorweg: Ich bin nicht konservativ, sondern dem Liberalismus (mit Fokus auf negative Freiheit) zugeneigt.) Zu meiner Überraschung habe ich herausgefunden, dass George Weinberg, der das Wort homophobia einführte, damit wirklich eine Phobie meinte («Homophobia is just that: a phobia»). Er hat es auch verteidigt: «By the AP’s logic — that we cannot attribute motive where we haven’t proved it — we would have to get rid of terms like “hate crime,” but no one suggests that. […] No other word suggests that the problem is in those who persecute gay people. […] Indeed, the next big step should be to add “homophobia” to the official list of mental disorders — not to cleanse the language of it.»

    Viele wollen damit allerdings keine phobische Störung unterstellen, von Progressiven habe ich auch schon erlebt, dass eine Pathologisierung solcherlei Hasses abgelehnt wird, was für mich in psychologischer Hinsicht verständlich ist, denn damit würde den Hassern gewissermaßen ein Opferstatus zugesprochen, man will solche Leute aber im Gegenteil als Täter vorführen und wehrt sich gegen eine Stigmatisierung psychischer Störungen (vgl.: «Ableismus»). Im Deutschen sagt man bezeichnenderweise oft homophob statt homophobisch (und verwendet das Adjektiv substantiviert anstelle von Homophobiker), während bei Agoraphobie überwiegend agoraphobisch und Agoraphobiker gebraucht zu werden scheinen, damit ist homophob vergleichbar mit hydrophob, womit in der Chemie ja auch nicht wörtlich ‘Wasser fürchtend’ gemeint ist, sondern eher ‘Wasser abweisend’. (Im Englischen sagt man jedoch hydrophobicity statt hydrophobia, letzteres Wort steht für Wasserscheu.)

    Du schreibst: «Der Gesetzgeber hat nicht Wortbedeutungen der Allgemeinsprache zu beschließen oder abzuändern, sondern Gesetze!» Doch selbst wenn zuvor ausschließlich gemischtgeschlechtliche Ehen unter die EXTENSION des Wortes Ehe fielen, bedeutet das nicht, dass die Gemischtgeschlechtlichkeit zur BEDEUTUNG des Wortes an sich gehörte. Adèle Mercier brachte folgenden Vergleich: «As Canadians are born and die, the word 'Canadian' undergoes a reference change. Words can undergo reference changes without a change in meaning, unless we are prepared to say that what we mean by 'Canadians' is just the group of people to whom it has ever applied (in which case it is a necessary truth that none of our descendants, nor any new immigrants, can be Canadians).» Davon abgesehen kann die Definition von Termini für Straftatbestände zwischen verschiedenen Rechtssystemen im Detail variieren. Man könnte für Mord nach schweizerischem Recht ein anderes Wort einführen als für Mord nach deutschem Recht usw., doch das wäre zu umständlich – wer genau wissen will, was jemandem zur Last gelegt wird, muss hier eben auf den Kontext achten. Ich gehe auch nicht davon aus, dass Ehe früher grundsätzlich in übertragener Bedeutung gemeint war, als von der Homo-Ehe die Rede war; der Homo-Aspekt wurde bei Homo-Paaren eben gerne betont, aber es handelt sich immer noch um Ehe.

    «Wenn die Ehe im Sinne des GG eine schützenswerte Institution ist, weil sie einen positiven Effekt auf die Gesellschaft hat, dann kann die Homo-Ehe das nicht sein» – mir ist die Zivilehe sowieso ziemlich egal, aber ein Homo-Paar kann immer noch einen Beitrag leisten, indem es adoptierte Kinder großzieht. Und falls du meinst, dass Kindergebären etwas Gutes ist (für ein Argument GEGEN Fortpflanzung siehe Better Never to Have Been von David Benatar): Künstliche Befruchtung können sich immerhin MANCHE leisten, das ist auch etwas.

    Anders als in transalpin ist trans in Wörtern wie Transmann als Kurzform von transgender/transsexuell/transident zu verstehen oder als Sammelbegriff wie trans*: Ein Transmann ist ein «Mann» (vom Gender her!), der trans(gender) ist. «Ein “Übergang” von einem Zustand in denselben Zustand ist schließlich kein Übergang.» – Nach einer Definition ist ein Transgender jemand, dessen Genderidentität vom bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht abweicht, mit anderen Worten: Die Genderidentität ist «jenseits» des zugewiesenen Geschlechts angesiedelt, entsprechend trans.

    Beim Menschen gibt es übrigens durchaus Fälle von echtem Hermaphroditismus (gleichzeitiges Vorhandensein von Hoden- und Eierstockgewebe), anscheinend kommt es sogar vor (besonders selten), dass sowohl Spermien als auch Eizellen gebildet werden. https://obgyn.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1479-828X.1973.tb02304.x

  2. re2tko2vski schreibt:

    „damit würde den Hassern gewissermaßen ein Opferstatus zugesprochen,“

    zumindest Schuldunfähigkeit.

    „Im Deutschen sagt man bezeichnenderweise oft homophob statt homophobisch (und verwendet das Adjektiv substantiviert anstelle von Homophobiker), während bei Agoraphobie überwiegend agoraphobisch und Agoraphobiker gebraucht zu werden scheinen, damit ist homophob vergleichbar mit hydrophob, womit in der Chemie ja auch nicht wörtlich ‘Wasser fürchtend’ gemeint ist, sondern eher ‘Wasser abweisend’. “

    Die morphologischen Unterschiede liegen sicher nur am unterschiedlichen Entstehungszeitpunkt der Begriffe.

    „reference change“ bezieht sich auf den Wechsel der Individuen, die als Kanadier bezeichnet werden, nicht auf den Wechsel der Eigenschaften, die einen zum Kanadier machen. (Ich kannte mal einen Kanadier, der meinte: „I hate Americans!“ haha)

    „Ich gehe auch nicht davon aus, dass Ehe früher grundsätzlich in übertragener Bedeutung gemeint war, als von der Homo-Ehe die Rede war; der Homo-Aspekt wurde bei Homo-Paaren eben gerne betont, aber es handelt sich immer noch um Ehe.“

    Natürlich, es geht mir gar nicht um die Frage, ob homosexuelle Beziehungen legitimiert werden sollen oder wie sie zu bewerten und zu deuten sind, also der Ehe gleichgestellt werden sollen oder nicht, sondern nur darum, wie sie bezeichnet werden dürfen. Aus einer Gleichbewertung folgt eben nicht automatisch eine Gleichbezeichnung. Die Argumentation „Aus Gleichbewertung folgt Gleichbezeichnung und aus Gleichbezeichnung folgt rechtliche Gleichstellung“ ist ein mieser Trick.

    „Anders als in transalpin ist trans in Wörtern wie Transmann als Kurzform von transgender/transsexuell/transident zu verstehen oder als Sammelbegriff wie trans*: Ein Transmann ist ein «Mann» (vom Gender her!), der trans(gender) ist.“

    Diese Argumentation wird durch die Existenz der „Cis“-Begriffe widerlegt.

    „Beim Menschen gibt es übrigens durchaus Fälle von echtem Hermaphroditismus (gleichzeitiges Vorhandensein von Hoden- und Eierstockgewebe), “

    Echter Hermaphroditismus ist es allerdings erst dann, wenn ein einzelner Mensch sowohl ein Kind zeugen als auch ein Kind empfangen und austragen kann.

    *
    Ich habe jetzt in Sachen Rechtschreibreform mal so richtig zugeschlagen, mit letzter Konsequenz und ohne Kompromisse:

    https://furormundi.wordpress.com/2021/04/05/ain%c7%9d-fonemat%c7%9dx%c7%9d-raectxraibon-fya-di-xdandaatd%c9%94ytx%c7%9d-xbrac%c7%9d-oda-di-ainfacst%c7%9d-d%c9%94ytx%c7%9d-raectxraibon-daea-vaelt/

    Das ist übrigens kein Schnellschuss, sondern das vorläufige Endergebnis jahrzehntelanger Überlegungen.

    • Ivan Panchenko schreibt:

      «„reference change“ bezieht sich auf den Wechsel der Individuen, die als Kanadier bezeichnet werden, nicht auf den Wechsel der Eigenschaften, die einen zum Kanadier machen.»

      Mir geht es ja gerade um den Unterschied zwischen reference change und Bedeutungswechsel. Das Gesetz hat eine Eheschließung für Homo-Paare früher nicht zugelassen, das ist aber zunächst eine Sache der außersprachlichen Realität und man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass die Bedeutung des Wortes Ehe auch schon damals Homo-Paare nicht ausgeschlossen hat. «I doubt that the word 'marriage' has never been used to refer to same-sex couples. There are anthropologists, who describe their findings in ordinary English, who maintain that certain cultures (in Africa, for example) permit women to marry other women. […] Since I am not an anthropologist but a philosopher of language, let me say only this: Even if it were true that the word 'marriage' had referred in the past only to pairs of men and women, that would in no way constitute an argument about the word's meaning, nor an argument that the word 'marriage' cannot refer to pairs other than of men and women. To see the flaw in Professor Stainton's argument, one need only imagine someone a century ago objecting thus to the admission of women into law school:» «The word 'lawyer' in our common tongue currently applies only to men. In which case, it is a necessary truth that a woman cannot be a lawyer.»

      Es sei darauf hingewiesen, dass wir viele Wörter nicht anhand einer präzisen Definition lernen, sondern sie uns durch die Erfahrung aneignen. Die Beschreibung der Bedeutung eines Wortes ist ein theoretisches Unterfangen, das einem Muttersprachler nicht unbedingt gut gelingt, und es gibt Fälle von Unschärfe; gerade hier kann eine Aushandlung durchaus stattfinden. (Ist Schach eine Sportart? Sind Jaffa-Cakes Kuchen oder Kekse?) Vor einiger Zeit hätten viele Leute die Bedeutung von Ehe vielleicht noch mit «Mann und Frau» beschrieben, da sie nur mit solchen Ehen vertraut waren; hätte man sie daraufhin auf eine Kultur hingewiesen, in der es Homo-Ehen gibt, würden einige dieser Leute das vielleicht seltsam finden, aber letztlich doch anerkennen, dass auch diese Partnerschaften unter die Bezeichnung Ehe fallen, nur dass sie diesen Fall beim Definitionsversuch gar nicht erst in Betracht gezogen haben.

      «Diese Argumentation wird durch die Existenz der „Cis“-Begriffe widerlegt.»

      Das sehe ich nicht, unter einem Cismann kann entsprechend ein Mann verstanden werden, dessen Geschlechtsidentität dem zugewiesenen Geschlecht entspricht. (Gibt es also Leute, die weder unter cis noch unter trans fallen, wo doch manche den Genderbegriff ablehnen? Hierauf könnte entgegnet werden, dass jemand, der sich als Mann bezeichnet, sich dadurch mit dem männlichen Geschlecht identifiziert, auch wenn er das Konzept einer vom Körperlichen abweichenden Geschlechtsidentifikation ablehnt. Aber was ist dann, wenn jemandes kognitive Fähigkeiten derart stark eingeschränkt sind, dass er sich tatsächlich mit keinem Geschlecht und auch nicht als geschlechtslos/agender identifiziert? Man könnte es dabei bewenden lassen, jeden, der nicht trans ist, als cis zu bezeichnen, oder den Satz «Jeder ist entweder cis oder trans» verwerfen, wie auch immer.)

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